Wie Worte geschrieben werden wollen

Es ist oft gar nicht so einfach, sich hinzusetzen und Texte zu verfassen: Sei es ein Blog-Post, eine Abschlussarbeit, eine Agenda für ein Meeting, oder vielleicht das Buch, das man schon immer einmal schreiben wollte. Es gibt zig Anleitungen dafür, wie man solche Schreibblockaden oder die Angst vor dem weißen Blatt überwinden kann. Aber im Grunde genommen gibt es vor all den zum Teil (nicht alle!) etwas esoterisch anmutenden Lösungsansätzen eine einfache Möglichkeit, sich rein pragmatisch an die Schreibarbeit heranzutasten: Jedes Format besitzt ein eigenes Regelwerk, sozusagen ein Grundgerüst, an das man sich halten sollte, um gute Texte zu produzieren. Im Journalismus sind das zum Beispiel die fünf (oder sechs) W-Fragen. Bei einer Kurzgeschichte dreht sich alles in der Regel um ein zentrales Ereignis und der Text sollte kurz genug sein, um in einem Leseakt gelesen werden zu können. Ein TED(x)-Talk sollte nicht länger als 18 Minuten dauern – undsoweiter. Der Rückbezug auf diese einfachen Grundlegeln für das jewelige Format, das ich bedienen möchte, ist nicht selten der Schlüssel zum Aufbau des Textes, zum ersten Satz, zum Fließtext. Ein Gerüst gibt mir die Sicherheit, dass ich mich zumindest rein faktisch innerhalb dessen bewege, was als lesbar anerkannt wird. Das heißt zwar noch lange nicht, dass mein Text auch gut wird. Aber ich steige zumindest in dem Bewusstsein ein, ihn nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben zu haben.

Manchmal weiß man allerdings vorab gar nicht, ob es gewisse Richtlinien gibt, innerhalb derer man sich bewegen kann. Die Präsentation einer neuen Marketing-Idee im Unternehmen, der Vortrag über den aktuellen Forschungsstand der eigenen Abschlussarbeit an der Uni für diese Formate gibt es keine allgemein gültigen Blaupausen; höchstens Vorgaben für gewisse Details, die man berücksichtigen soll (Marketing: wie sind meine KPIs? Uni-Präsentation: auf welche Theorie beziehe ich mich?). Die Recherche im Internet ist hier Fluch und Segen zugleich: Zwar finden wir unzählige gute und schlechte Beispiele online – aber wir finden eben auch unzählige gute und schlechte Beispiele online. Die schiere Masse an Ergebnissen kann nicht nur überwältigen, sondern überwältigt, wenn man sich wirklich die Mühe macht, über Seite zehn der Google-Ergebnisse hinaus zu gehen (wobei Recherchen zufolge die meisten nach Seite drei aufgeben – verständlicherweise). Was also tun? Anstatt wild alle Links anzuklicken, lieber mit einem relevanten Link starten und von dort aus eine Hypertext-Reise starten. Das heißt: Den Inhalt der Seite erfassen und dann sehen, wohin diese Seite mich bringt. Vielleicht verlinkt sie ja auf eine weitere relevante Seite mit den zehn besten Tipps für eine gelungene Seminar-Präsentation? Oder vielleicht fällt mir dort ein Begriff auf wie „Design Thinking“, den ich dann nachschlage und so meinen Gedanken weiterspinne? Die Idee dahinter ist eigentlich eines der Internet-Grundprinzipien: Seiten sind mit einander verbunden – verlinkt – und tragen mich als den Leser so von Seite zu Seite, von Information zu Information. Ich folge einem roten Faden, anstatt verschiedene Fädchen aus dem Netz zu ziehen. Ich springe von Seite zu Seite, anstatt immer wieder zur Ausgangsposition der Suchmaschinenergebnisse zurückzukehren. Denn auch der Text, den ich am Ende produzieren möchte (oder die Präsentation) folgt einem roten Faden, nämlich meiner Gliederung.

Was aber soll ich tun, wenn ich mich vor ein leeres Dokument setze und bloß da Bedürfnis habe, einfach mal frei Schnauze wild über ein Thema draufloszuschreiben? Wenn ich meinen Text keinen schriftstellerischen Regeln unterordnen möchte, sondern ihn einfach fließen lassen will – mir aber dann doch irgendwie der Ansatzpunkt fehlt? Entweder baue ich mir dann meine eigenen Regeln – zum Beispiel nehme ich einen bereits existierenden Text als Ausgangspunkt und mache es mir  zur Auflage, ein Beispiel daraus zu zitieren (mit Quellenangabe!), oder mich auf ihn zu beziehen. Oder ich suche mir Regeln von anderen Schreiberlingen, die zwar inhaltlich nichts mit meinem Text zu tun haben, mir aber Ansatzpunkte geben. So zum Beispiel die Six-Word-Memoirs – der Text darf nur aus sechs Wörtern bestehen. Damit reduziere ich meine Idee auf ihre Quintessenz und mache mir wirklich darüber Gedanken, was ich eigentlich sagen will. Oder ich starte mit einem Tweet meiner Idee, der ja auch nur 140 Zeichen umfassen darf. Oder ich klicke mich durch Posts auf Seiten, die sich mit Sprache und dem Sprachenlernen beschäftigen und stöbere dort spannende Wörter auf, die mich inspirieren. Duolingo, Babbel und Memrise sind drei Websites, deren Newsletter oder Facebook-Feeds ich mir regelmäßig zu Gemüte führe, wenn ich sprachlos bin. A Word Worth Spreading war auch so ein Projekt, das allerdings leider seit 2012 keinen neuen Post mehr hatte. Oder die Suche nach Inspirational Quotes auf Pinterest: Denn zwischen Klischees und ausgelutschten Phrasen finden sich immer wieder kleine Juwelen, die neue Denkanstöße geben.

Wie ich auf diesen Post gekommen bin, wie ich angefangen habe, das leere Dokument zu füllen? Durch die oben genannte A Word Worth Spreading-Seite und einen Post auf Memrise: Old English alternatives to modern-day words (haha). Weil ich mir überlegte, dass ich auch gerne eine Seite mit solchen Posts aufziehen würde, um interessante Wörter zu präsentieren – mir dann aber klar wurde, dass ich dafür gar keine Zeit habe und stattdessen einfach mal einen Post über Wörter schreiben könnte. Aber vielleicht macht es ja einer von euch?

 

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